Am 18.10.2024 haben die Vertreter der einzelnen Bundesländer im Bundesrat den Weg für das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (kurz BEG IV) frei gemacht. Die darin enthaltenen Änderungen sollen dann ab 01.01.2025 in Kraft treten.
Zu den wichtigsten Neuerungen gehören:
- Im Hinblick auf Vereinfachungen im Steuer- und Handelsrecht sollen die rechtlich verbindlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen von 10 auf 8 Jahre verkürzt werden.
Eine Sonderregelung wurde für Personen und Gesellschaften eingeräumt, die im Rahmen von Finanzskandalen wie der Cum-Ex- oder Cum-Cum-Affäre unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stehen. Für diese tritt die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen erst mit einem Jahr Verzögerung in Kraft.
- Im Bereich der Katastrophenhilfe wurde die Definition für den Zugang Betroffener zu finanziellen Hilfsangeboten erleichtert. Demnach verfolgt eine Körperschaft bzw. ein Verband mildtätige Zwecke, welche Personen unterstützt, “[…] deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist. Als besondere Gründe gelten insbesondere Katastrophen, die durch Erlass des Bundesministeriums der Finanzen oder einer obersten Finanzbehörde der Länder festgestellt wurden. In diesen Fällen reicht es für den Nachweis der Hilfsbedürftigkeit aus, wenn die durch die Katastrophe entstandene Notlage sowie die Mehraufwendungen glaubhaft gemacht werden.“
Bürokratieeinsparungen durch Digitalisierung
Ein wesentlicher Teil der ab 2025 in Kraft tretenden Neuerungen und Vereinfachungen des BEG IV betrifft den Bereich der Digitalisierung in Behörden und Betrieben.
Hierzu zunächst ein kurzer Exkurs, welche mögliche Formen der Kommunikation mit Behörden oder Arbeitgebern aktuell gebräuchlich sind:
Schriftform: Hierbei handelt es sich immer um ein auf Papier verschriftlichtes Dokument. Dieses muss vom Aussteller entweder per Hand oder mittels eines notariell beglaubigten Zeichens unterschrieben werden.
Elektronische Form: Hier liegt das entsprechende Dokument bereits in elektronischer Form vor, muss jedoch vom Aussteller mithilfe einer qualifizierten elektronischen Signatur unterzeichnet werden. Diese muss über das Zertifikat eines qualifizierten Vertrauensdiensteanbieters verfügen und von einer sicheren Signaturerstellungseinheit erstellt worden sein.
Textform: Diese Dokumentenform kann sowohl auf Papier als auch elektronisch sein. Sie muss generell lesbar sein und der Name der ausstellenden Person muss im Dokument genannt werden.
Hierfür geeignet sind E‑Mails, Briefe (wahlweise auch ohne Unterschrift) und sogar WhatsApp-Textnachrichten. Letztere müssen jedoch auf einem dauerhaften Datenträger gespeichert sein.
Konkrete Beispiele für Aufwandsverringerung durch Digitalisierung
Im Zuge der Umsetzung des Bürokratieentlastungsgesetz IV kann in Zukunft bei Abstimmungen auf Vereinsebene von nicht bei der Versammlung anwesenden Mitgliedern auch in Textform abgestimmt werden.
Vermieter können die jährlich anfallende Nebenkostenabrechnung künftig auch in elektronischer Form oder per E‑Mail versenden. Außerdem können gewerbliche Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr ab 2025 auch in Textform abgeschlossen werden.
Auf schulischer und betrieblicher Ebene können Arbeits- und Ausbildungszeugnisse ab 2025 bei Einwilligung des Arbeitnehmers bzw. Auszubildenen auch in elektronischer Form ausgestellt werden. Dies erfordert jedoch die Anschaffung einer entsprechenden Hard- und Software zur Erstellung einer qualifizierten elektronischen Signatur und ist somit mit Kosten verbunden.
Arbeitgeber haben in Zukunft die Möglichkeit, Arbeitsverträge auch in Textform bereitzustellen. Diese müssen jedoch generell dem Arbeitnehmer zugänglich hinterlegt werden und ausdruck- und speicherbar sein, zum Beispiel als pdf-Datei. Außerdem muss der Arbeitnehmer dazu in der Lage sein, dem Arbeitgeber bei Bedarf einen Empfangsnachweis für die Dokumente zu übermitteln.
Aushänge zum Arbeitszeitgesetz bzw. Jugendarbeitsschutzgesetz, welche bisher in Schriftform im Betrieb ausgehängt werden mussten, können in Zukunft in Textform veröffentlicht werden. Eine Möglichkeit hierfür wäre zum Beispiel das firmeneigene Intranet. Voraussetzung wäre jedoch, dass jeder Beschäftigte generell ungehinderten Zugang zu den betreffenden Informationen hat.
Die betriebliche Kommunikation hinsichtlich der Inanspruchnahme von Elternzeit bzw. einer damit verbundenen Verringerung der Arbeitszeit kann ab 2025 in Textform, zum Beispiel per Mail, erfolgen. Dies gilt auch für die (Familien-)Pflegezeit. Deren Inanspruchnahme muss dem Arbeitgeber aber spätestens 10 Tage im Voraus bekanntgegeben werden.
Des Weiteren entfällt für deutsche Staatsangehörige ab 2025 auch die Pflicht, beim Einchecken in ein Hotel oder eine andere Beherbergungsstätte einen Meldeschein auszufüllen
Auch Änderungsverträge können mit Inkrafttreten des BEG IV digital hinterlegt und übermittelt werden. Auf Anfrage des Arbeitnehmers besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit, diese auch schriftlich zu verfassen.
Ausnahmen des Bürokratieentlastungsgesetz IV
Von dieser Regelung ausgeschlossen sind die im § 2a, Absatz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Arbeitsbereiche, namentlich:
- Baugewerbe
- Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe
- Personenbeförderungsgewerbe
- Speditions‑, Transport- und Logistikgewerbe
- Schaustellergewerbe
- Unternehmen der Forstwirtschaft
- das Gebäudereinigungsgewerbe
- Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen
- Fleischwirtschaft
- Prostitutionsgewerbe
- Wach- und Sicherheitsgewerbe
Verträge in diesen Bereichen sowie Befristungen eines Arbeitsverhältnisses bedürfen auch weiterhin der Schriftform.
Kritik am Bürokratieentlastungsgesetz IV
1.) Von der Opposition
Kritik am praktischen Nutzen des neuen Bürokratieentlastungsgesetzes kam – wenig überraschend – von Seiten der Opposition. Julia Klöckner von der CDU verwies auf dem aktuellen Bericht des Normenkontrollrates (NKR) von 2024, wonach der tatsächliche Abbau an bürokratischen Vorgaben an Betriebe und Behörden etwa fünfmal so hoch ausfallen müsste, um tatsächlich sichtbare Entlastungen zu bewirken. Laut Bericht sei der Bürokratieaufwand allein von 2021 bis heute sogar von ehemals 6 Milliarden Euro auf 25 Milliarden Euro angewachsen.
Bei aller berechtigter Kritik lies die CDU/CSU aber wohlweislich unerwähnt, dass auch die vorigen Bürokratieentlastungsgesetze, die noch von Angela Merkels Regierung verabschiedet und umgesetzt wurden, diesbezüglich keine allzu großen Würfe waren.
2.) Im Zusammenhang mit der Cum-Ex-Affäre
Die einstige Cum-Ex-Chefermittlerin, Anne Brorhilker, kritisierte die verkürzte Aufbewahrungsfrist für Rechnungen und Buchungsbelege. Diese würden es Steuerbetrügern zukünftig leichter machen, ihre Verbrechen zu verschleiern.
Die Prüfung und Aufdeckung von Steuerbetrug sei ein hochkomplexer und zeitaufwendiger Prozess. Durch die Fristverkürzungen stünden Steuerprüfer unter erhöhtem Zeitdruck, diesen nachzuweisen, bevor die Betrüger die belastenden Unterlagen entsorgen dürfen.
Die einjährige Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für Personen und Gesellschaften, die unter Beobachtung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stehen, dürfte somit einen notgedrungenen Kompromiss darstellen.
Es bleibt auch fraglich, inwieweit die durch die Fristverkürzung erzielten finanziellen Einsparungen hinsichtlich des bürokratischen Aufwandes die durch Steuerbetrug verursachten Verluste an Steuereinahmen aufzuwiegen imstande sein dürften.
3.) Durch die Verbände
Kritik am Bürokratieentlastungsgesetz IV kam auch von Seiten diverser Verbände So bemängelte etwa der Verband der deutschen Wirtschaft, dass von den über 400 von ihm eingereichten Vorschlägen lediglich 11 berücksichtigt worden seien.
Auch der NKR sieht diesbezüglich noch viel Luft nach oben. Er regte an, man solle für die kommenden vier Jahre eine Reduzierung des Bürokratiekostenindex (BDI) (aktuell bei 97,03 Prozent, Stand September 2024) um mindestens 25 Prozent ins Auge fassen.
Dies war der Regierung unter Angela Merkel zwischen 2007 und 2011 bereits einmal gelungen. Eine Reduzierung des BDI um 25 Prozent entspräche einer realen Entlastung der Wirtschaft um 16 Milliarden Euro jährlich.
Auch schlug der NKR vor, 55 Vorschläge seitens der Länder und Verbände, die in diesem Jahr nicht in das BEG IV eingeflossen waren, bei einem möglichen neuen Gesetzesentwurf im kommenden Jahr erneut zu berücksichtigen.
Fazit
Die durch diese Maßnahmen ermöglichten Einsparungen für Wirtschaft und Verwaltung werden vom Bundestag mit insgesamt 944 Millionen Euro veranschlagt. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie hoch diese de facto in der Praxis ausfallen werden.
Zum Vergleich: Die Einsparungen durch das BEG I von 2015 beliefen sich auf 744 Millionen Euro, die des BEG II von 2017 auf lediglich 363 Millionen Euro und die des BEG III von 2019 auf immerhin 1,168 Milliarden Euro.
Die Umstellung betrieblicher Prozesse von analog zu digital wird mittlerweile sogar von Bund und Ländern finanziell gefördert. Spezialisierte IT-Dienstleister wie etwa Sulz Solutions beraten Betriebe und Verbände professionell dabei, ihr System dahingehend zu überarbeiten und zu optimieren.